Patientzentrierte Manuelle Therapie

Es klingt vielleicht überflüssig, aber zuerst sollten alle Patient*innen wissen, dass es eine patienten-zentrierte Manuelle Therapie gibt. Obwohl es selbstverständlich ist, dass die Gesundheitsprobleme der Patient*innen stets im Mittelpunkt stehen sollten, bestimmt oft die vermeintlich „hochwertige“ Therapie, die Therapeut*innen auswählen, das Geschehen. Therapeutische Interventionen stellen den Mittelpunkt der Therapie dar.

Der Start

Wie also sieht eine patientenzentrierte Manuelle Therapie aus, wie beginnt sie? [3]

Beispiel

Ausschnitt aus einem Gespräch zum Beginn einer patientenzentrierten Manuelle Therapie.
Therapeut: „Manuelle Therapie bedeutet für mich, dass wir zusammen ein Bild Ihrer Gesund-heitssituation erstellen. Hierbei betrachten wir die Faktoren, die Ihre Gesundheitssituation beeinflussen. Es gibt Faktoren, die nicht beeinflusst und andere, die sehr wohl beeinflusst werden können. Bei den beeinflussbaren Faktoren unter-scheiden wir wiederum Faktoren, die Sie beeinflussen und Faktoren, die ich als Therapeut beeinflussen kann. Sind Sie mit diesem Plan einverstanden?“
Nach diesem Start folgt der nächste Schritt.

Glaubensätze

Eine zentrale Rolle bei einer patientenzentrierten Manuellen Therapie spielen die Glaubensätze, die Patient*innen über ihre eigene Gesundheitssituation verinnerlicht haben. Therapeut*innen erkennen Überinterpretationen von Zeichen und Symptome und klären zusammen mit den Patient*innen, wie Glaubensätze realistisch, konkret und klar erkannt und dargestellt werden können[4].
Hilfreich ist das sogenannte Common Sense Modell (CSM) von Leventhal [5, 6].
Dieses Modell des „Gesunden Verstandes“ besteht aus den folgenden fünf Fragen, die die unter-schiedlichen Dimensionen der Glaubenssätze – kulturübergreifend und stabil – abbilden.

  • Was habe ich? (Identität)
  • Was ist die Ursache? (Kausalität)
  • Wie lange dauert es? (Zeitlinie)
  • Was kann ich selbst tun? (Heilung, Kontrolle)
  • Was sind die Konsequenzen? (Folgen)

Schauen wir uns die Fragen am Beispiel Schmerz genauer an:

1. Was habe ich?

Bei 90-95% der Fälle von Schmerzsyndromen ohne eindeutiges Trauma in der Geschichte gibt es kein ernsthaftes Gesundheitsproblem. Das zeigt, dass die biologische Wiederherstellungskapazität eines jeden Einzelnen so gut ist, dass die Symptome im Laufe der Zeit weniger werden und verschwinden.

2. Was ist die Ursache?

Bei vielen komplexen Schmerzsyndromen ist eine eindeutige Ursache nicht zu benennen. Oft gibt es den berühmten Tropfen, der das Fass bzw. den Eimer zum Überlaufen brachte. Für Patient*innen mit Beschwerden ohne klare medizinische Ursache ist das ein zentrales Thema, für das wir die „Eimermetapher“ entwickelten (s.u.).

3. Wie lange dauert es?

Die Wiederherstellung des gesunden Zustands in unserem Körper ist grundsätzlich gut geregelt. Dennoch ist unsere Biologie altmodisch und es funktioniert nicht in Echtzeit. Die biologischen Programme, die beispielswiese bei einer Schwangerschaft aber auch nach einer Verletzung wie einer Bandruptur ablaufen, sollten nicht abgekürzt werden. Das Endergebnis wäre nicht optimal.

4. Was kann ich selbst tun?

Die Erwartungen Betroffener an die Fähigkeiten ihrer Therapeut*innen sind oft überhöht. Ent-scheidend ist, was sie selbst tun können. Jetzt ist die Möhre aus der Möhrenmetapher gefragt! Die gesunde Mischung zwischen Grundlagenausdauer und funktionelle Übungen werden in diesem Buch ausgearbeitet.

5. Was sind die Konsequenzen?

Das bedeutet konsequenterweise, dass Patient*innen selbst ihre Gesundheitssituation so oft und so gut wie möglich selbst lenken sollten.
Für Therapeut*innen bedeutet das, mehr zu begleiten als zu selbst tun, also mehr der Coach zu sein.